Roboter in der Lebensmittelbranche – Zukunftstechnologie für Produktion, Verpackung und Logistik
Warum Robotik die Lebensmittelindustrie verändert
Die Lebensmittelindustrie steht unter enormem Druck: steigende Hygieneanforderungen, Fachkräftemangel, immer kürzere Produktlebenszyklen und komplexe Logistikanforderungen. Robotertechnik ist heute ein entscheidender Faktor, um diese Herausforderungen zu meistern.
Roboter übernehmen in der Lebensmittelherstellung, -verarbeitung und -logistik nicht nur monotone oder körperlich belastende Tätigkeiten, sondern ermöglichen reproduzierbare Qualität, Effizienzsteigerung und hygienegerechte Abläufe – auch bei hoher Variantenvielfalt.
Der folgende Beitrag basiert auf Erkenntnissen aus dem DLG-Expertenwissen 07/2022 – Roboter in der Lebensmittelindustrie, den wir für Sie inhaltlich zusammengefaßt haben.
Wachsende Einsatzbereiche für Roboter in der Lebensmittelindustrie
Laut DLG-Analyse dehnt sich der Einsatzbereich von Robotik in der Lebensmittelbranche deutlich aus. Während früher vor allem Palettieren und Verpacken im Fokus standen, übernehmen Roboter heute auch anspruchsvolle Aufgaben in der Primärverarbeitung:
- Pick-and-Place-Prozesse für offene, unverpackte Lebensmittel
- Verpackung und Umverpackung in Beuteln, Trays, Folien oder Kartons
- Portionieren und Gruppieren für Fertigprodukte oder Zutaten
- Qualitätskontrolle mittels Bildverarbeitung (z. B. Fremdkörpererkennung, Formkontrolle)
Gerade durch Fortschritte in der Sensorik und Softwareintegration können Roboter heute hochvariabel arbeiten – auch in Prozessen, die früher ausschließlich manuell möglich waren.
Roboter in der Lebensmittelherstellung – Hygienisch, reproduzierbar, skalierbar
Ein zentrales Argument für den Robotereinsatz in der Lebensmittelproduktion ist das Thema Hygiene. Roboter mit lebensmitteltauglicher Oberfläche, IP69K-Schutzklassen, totraumfreier Geometrie und NSF H1-zertifizierten Schmierstoffen ermöglichen den Einsatz direkt in Weißbereichen. Damit lassen sich folgende Prozesse sicher und effizient automatisieren:
- Handling von Teiglingen, Fleisch, Fisch, Käse oder frischem Gemüse
- Dosieren, Mischen und Positionieren in hygienekritischen Zonen
- Automatisierte Produktübergabe an Verpackungslinien
Durch automatisierte Verarbeitung steigern Unternehmen die Produktionskapazität, senken Ausschussraten und dokumentieren qualitätsrelevante Parameter lückenlos.
Verpackungsprozesse – Roboter in der Lebensmittelverpackung
Im Bereich Verpackung und Umverpackung zählt die Robotik heute zu den wichtigsten Technologien. Roboter sorgen für:
- Formunabhängige Verpackung von Fertiggerichten in Becher, Dosen, Gläser oder Trays
- Sekundärverpackung in Kartonagen, Schrumpffolien oder Displayeinheiten
- Inline-Etikettierung und Gewichtskontrolle durch Sensor- und Visionintegration
Dank modernster Software wie KUKA.PickControl, Fanuc iRVision oder ABB PickMaster Twin lassen sich Produktströme präzise erkennen und verarbeiten – auch bei Sortimentswechseln oder unterschiedlichen Abmessungen.
Roboter in der Logistik von Lebensmitteln – von der Linie bis zum Lager
In der lebensmittelspezifischen Logistik – insbesondere in der End-of-Line-Automatisierung – sind Roboter unverzichtbar:
- Palettierung von Kartons, Trays, Kisten oder Folienverpackungen
- Palettieren unter Tiefkühlbedingungen bis -30 °C
- Depalettierung und automatische Lagerzufuhr
- Integration in fahrerlose Transportsysteme (AMR)
Durch den Einsatz von Roboterzellen mit Palettierfunktionen kann die Effizienz im Versandbereich massiv gesteigert und Platzbedarf reduziert werden. Auch HACCP-konforme Etikettierung und Rückverfolgung lassen sich vollständig automatisieren.
Treiber für den Robotereinsatz in der Lebensmittelbranche
Die DLG nennt mehrere Gründe, warum Roboter in der Lebensmittelindustrie verstärkt nachgefragt werden:
- Fachkräftemangel in Produktion, Verpackung und Logistik
- Hygienedruck & Nachweispflicht (IFS, BRC, HACCP)
- Zunehmende Verpackungsvielfalt & kleine Losgrößen
- Nachhaltigkeitsanforderungen (weniger Ausschuss, weniger Ressourcenverbrauch)
Darüber hinaus zeigen viele mittelständische Betriebe eine hohe Bereitschaft zur Robotereinführung – insbesondere, wenn skalierbare, herstellerunabhängige Systeme mit kurzen Amortisationszeiten angeboten werden.
52% der befragten Unternehmen nutzen bereits Roboter im Umgang mit Lebensmitteln – 78% geben an die Anzahl der Roboter erhöhen zu wollen
Laut dem DLG-Trendmonitor „Roboter in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie“ setzen 52 % der befragten Unternehmen bereits Roboter in ihren Produktionsprozessen ein, während 48 % noch keine Robotiklösungen nutzen.
Besonders ausgeprägt ist der Trend zum Robotereinsatz in der Molkereibranche sowie in den Bereichen Getränkeherstellung, Fleisch-, Wurst- und Geflügelverarbeitung und Backwarenproduktion. Die Anzahl der eingesetzten Roboter variiert dabei erheblich: Einige Betriebe nutzen lediglich ein einzelnes Robotersystem, während andere mehr als 100 Roboter im Einsatz haben.
Von den Unternehmen, die bereits Erfahrung mit Robotik haben, planen 78 % eine Erweiterung ihres Roboterbestands. Dies unterstreicht den klaren Trend: In Betrieben mit Robotereinsatz ist die Bereitschaft zur weiteren Automatisierung besonders ausgeprägt. Unter den Betrieben, die derzeit noch keine Roboter einsetzen, werden vor allem hohe Investitionskosten, begrenzte Platzverhältnisse und eine derzeit als unwirtschaftlich eingeschätzte Roboternutzung als Hauptgründe genannt.
Robotersystem entlang der gesamten Supply Chain in der Lebensmittelherstellung
Robotersysteme lassen sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Lebensmittelindustrie in nahezu allen Produktionsschritten integrieren. Die Supply Chain kann dabei in fünf Hauptbereiche unterteilt werden:
- Lebensmittelherstellung (41%)
- Verpackung von Lebensmitteln (41%)
- Rohstofflieferung (11%)
- Handel (4%)
- Konsum (3%)
Im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Hochschule Hannover mit dem Titel „Systematik und Vergleich von aktuellen und perspektivischen Einsatzvarianten für Robotik über die gesamte Supply Chain der Lebensmittelherstellung“ wurde eine strukturierte Analyse bestehender Robotertechnologien in der Lebensmittelindustrie durchgeführt.
Die Arbeit untersuchte 80 konkrete Anwendungsbeispiele für den Robotereinsatz in den Bereichen Rohstoffanlieferung, Lebensmittelverarbeitung, Verpackung sowie Handel. Dabei zeigte sich, dass der Gelenkarmroboter die am häufigsten eingesetzte Kinematik darstellt. Besonders häufig werden Roboter für sogenannte„Pick-and-Place“-Aufgaben eingesetzt. Von den analysierten „Pick-and-Place“-Beispielen entfiel der größte Anteil auf den Bereich der Verpackung. Hervorzuheben sind dabei innovative Roboterlösungen, die komplexe Handhabungsaufgaben übernehmen können – etwa die schonende Manipulation empfindlicher Produkte. Auch bei verarbeitungstechnischen Prozessen wie Trennen (14%), Fügen (9%) und Formen (4%) nimmt der Robotereinsatz kontinuierlich zu.1
Knickarmroboter und Delta-Roboter am häufigsten in der Lebensmittelindustrie
Knickarmroboter (auch als Gelenkarmroboter bezeichnet) sowie Delta-Roboter kommen in der Lebensmittelindustrie am häufigsten zum Einsatz. Die Dominanz von Knickarmrobotern ist vor allem auf deren vielseitige Einsatzmöglichkeiten entlang der gesamten Produktions- und Logistikkette zurückzuführen. Delta-Roboter sind in der Primärverpackung und bei hohen Taktzeiten alternativlos. Cobots gewinnen an Bedeutung, insbesondere in kleinen und mittleren Betrieben mit schwankenden Produktionsanforderungen.
Im Bereich der Logistik werden Roboter vorrangig für Palettieraufgaben eingesetzt, darüber hinaus auch für das Depalettieren sowie das Kommissionieren von Waren. In der Verarbeitung übernehmen Roboter vor allem Aufgaben wie das präzise Positionieren und Sortieren von Produkten. Innerhalb der Verpackungsprozesse liegt der Schwerpunkt auf dem Umverpacken.
✅ Knickarmroboter (Gelenkarmroboter)
Anwendung: universell, hohe Bewegungsfreiheit, bis zu 6 Achsen
Typische Aufgaben:
-
Handling und Verpackung von Produkten
-
Komplexe Pick-and-Place-Anwendungen
-
Maschinenbeschickung
-
Schneiden, Portionieren, Dekorieren (z. B. von Torten)
Vorteil: extrem flexibel, hygienegerechte Varianten verfügbar
✅ Delta-Roboter
Anwendung in der Lebensmittelindustrie: Hochgeschwindigkeitsanwendungen mit geringem Produktgewicht
Typische Aufgaben:
-
Hochdynamisches Sortieren und Kommissionieren von Lebensmitteln
-
Pick-and-Place in Verpackungsmaschinen
-
Direktes Handling von Lebensmitteln (z. B. Kekse, Pralinen, Fruchtstücke)
Vorteil: hohe Taktzeiten, ideal für den Primärverpackungsbereich, leicht zu reinigen
✅ Scara-Roboter
Anwendung: Schnelle, präzise Montage- oder Verpackungsaufgaben
Typische Aufgaben:
-
Portionieren
-
Etikettieren
-
Verpacken in Blisterverpackungen
Vorteil: kompakt, kosteneffizient, hohe Wiederholgenauigkeit
✅ Cobots (Kollaborative Roboter)
Anwendung: flexible Einsätze bei geringem Automatisierungsgrad
Typische Aufgaben:
-
Manuelle Handlingsunterstützung
-
Kommissionierung kleinerer Chargen
-
Flexible Assistenz beim Verpacken oder Etikettieren
Vorteil: einfache Programmierung, direkte Mensch-Roboter-Kollaboration, ideal für KMU
Gründen für den Robotereinsatz in der Lebensmittelbranche
Ein zentrales Einsatzmotiv von Robotern in der Lebensmittelproduktion besteht nach wie vor in der Ablösung körperlich belastender Tätigkeiten – insbesondere beim Palettieren schwerer Gebinde. Dies spiegelt sich auch in den am häufigsten genannten Gründen für den Robotereinsatz in der Lebensmittelbranche wider:
- Personalreduktion durch Automatisierung,
- Verbesserung der ergonomischen Bedingungen am Arbeitsplatz sowie die
- Reduzierung betrieblicher Kosten.
Roboter sind Schlüsseltechnologie in der Lebensmittelindustrie
Die Analyse der DLG und unsere Praxiserfahrung zeigen klar: Robotertechnik ist in der Lebensmittelbranche unverzichtbar geworden. Vom Schneiden über das Verpacken bis zur Palettierung decken moderne Systeme heute den gesamten Produktionsfluss hygienisch, effizient und reproduzierbar ab.